GREENWASHING

Auf dem Holzweg

Kreditinstitute geben zunehmend ec- und Kreditkarten aus Holz aus. Das Klima könnten sie anders wirksamer retten

Es gibt ja ein paar Dinge, auf die die Menschheit wirklich wartet. Auf gigantische Filteranlagen, die CO₂ aus der Luft saugen, zum Beispiel. Auf grünen Wasserstoff, der überall verfügbar ist, überhaupt: auf grünen Strom. Und es gibt Dinge, auf die niemand wartet. Debit- und Kreditkarten aus Holz.

Sie haben richtig gelesen. Immer mehr Banken bieten ihren Kunden zum Bezahlen hölzerne Ökovarianten an. Die GLS Bank zum Beispiel, Deutschlands größte Nachhaltigkeitsbank. Seit Oktober bekommen alle Neukunden des Geldhauses eine Karte aus Ahornholz. Sie besteht aus mehreren Schichten Furnier, damit sie so stabil ist wie eine gewöhnliche ec-Karte. Und auch so lange hält, in der Regel vier Jahre.

So was habe die Welt noch nicht gesehen, heißt es auf der Website der GLS. »Die erste plastikfreie Zahlkarte weltweit!« – »Fast ein Naturprodukt«.

Auch das Hamburger Start-up Tomorrow, das seinen Kunden ein »smartes und nachhaltiges Banking-Erlebnis« verspricht, bietet eine hölzerne Visa-Karte an. Die Unternehmer werben mit Sätzen wie »Außen Wood – innen good«. Wer mit Holz zahlt, kann zugleich die Renaturierung eines Ökosystems in Südafrika finanzieren. Anders als bei der GLS, wo der Kartenkörper zu 90 Prozent aus Holz und zu 10 Prozent aus Papier besteht, besteht der Kern der Tomorrow-Karte aus recyceltem PVC, also Kunststoff.

Der Trend weitet sich aus: Auch immer mehr Volksbanken wollen auf die Holz-Variante umsteigen. Der Karten-Dienstleister DG Nexolution, der in Deutschland Hunderte genossenschaftliche Kreditinstitute mit Bezahlkarten ausstattet, hat dafür vergangenes Jahr extra Anteile an einer Schweizer Holzfirma erworben. Eine eigens gegründete Tochterfirma soll die Karten weltweit vertreiben.

Die »Weltneuheit im Geldbeutel«, wie die GLS sie bezeichnet, hat aber ein entscheidendes Defizit: Die Holzkarten bestehen auch weiterhin aus einem Chip, einer Antenne und einem Magnetstreifen. Also aus umweltschädlichen Rohstoffen und Metallen. Müssen sie auch, sonst wären sie ja als Bankkarten untauglich.

»Streng genommen handelt es sich bei Ihrer Karte um Elektronik, die Sie nicht in der Tonne entsorgen sollten«, heißt es deshalb auch auf der Website der GLS. Ach so! »Da die Karte einen Magnetstreifen, Chip und Antenne hat, fällt sie unter das Elektroschrottgesetz.« So viel zum Naturprodukt.

Nun kann man natürlich einwenden, dass die Welt ein globales Plastikproblem hat (stimmt) und dass jeder Alltagsgegenstand, der nur ein bisschen nachhaltiger produziert wird als zuvor, eine gute Sache im Kampf gegen die Klimakrise ist (stimmt auch). Das Problem ist nur: Der weltweite Plastikverbrauch wird nicht durch den Gebrauch von Debit- und Kreditkarten getrieben. Ihr Anteil an der Plastikproduktion ist minimal. Sie gehören auch nicht zu den Produkten, die man mal eben am Straßenrand wegwirft.

Hinzu kommt: Die Herstellung von Holzfurnier ist energieintensiv und kann daher in der Produktion genauso klimaschädlich sein wie Plastik.

Banken, die künftig auf vermeintliche Öko-Karten setzen wollen, könnten stattdessen bei der Kreditvergabe und ihren Investitionen strengere Regeln anlegen, so wie die GLS Bank und Tomorrow das bereits tun.

Diesen Sommer hat die Deutsche Bank verkündet, ihr gesamtes Kartenangebot auf recycelte Materialien umzustellen. Der belgischen NGO FairFin zufolge gehört sie jedoch zu den größten Geldgebern der Plastikindustrie.

Nicht alles ist so nachhaltig, wie es aussieht. ZEIT-Redakteurin Hannah Knuth berichtet in dieser Kolumne über Fälle von Greenwashing

Illustration: Freya Lina Knauer/ZEIT-Grafik